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Rocky Mountain Audio Fest 2012 – ein Nachschlag

Zuerst muss ich mich entschuldigen: Dieser Nachschlag hätte eigentlich schon deutlich eher fertig werden sollen. Immerhin ist das RMAF 2012 bereits seit über einer Woche vorbei. Der unvermeidliche Jet Lag (acht Stunden Zeitdifferenz), sowie private Angelegenheiten, die keinen Aufschub duldeten, sorgten für diesen kleinen Verzug.

Das Rocky Mountain Audio Fest, das ich zum zweiten Mal besuchte, trägt seinen Namen zu Recht. Es handelt sich dabei wirklich um ein Fest der audiophilen Wiedergabe. Zu diesem Eindruck trägt nicht allein die schiere Menge der Aussteller, der Besucher und der Hörräume bei. Auch und ganz besonders die zahlreichen Nebenveranstaltungen mit Vorträgen, Workshops, Verkaufsständen für Schallplatten und sogar musikalische Live-Darbietungen machen neben der Möglichkeit, mit vielen Entwickler persönlich zu sprechen, in Summe einen Besuch dieser Hotelmesse in Denver, der Hauptstadt des Bundesstaates Colorado, zu einem echten Erlebnis.
Allerdings war das Angebot derart gigantisch, dass mir im Nachhinein eine Auswahl besonders bemerkenswerter Vorführungen schwer fiel – zumal sich alle Aussteller sehr viel Mühe bei ihren Präsentationen gegeben haben und teilweise eine große Liebe für dekorative Details erkennen ließen. Man bräuchte eigentlich mehr als drei Tage, um in jedem Raum mehr als nur einen kurzen Höreindruck zu erhaschen. Der Versuch, den “Best Sound Of Show” – und womöglich auch noch in unterschiedlichen Preiskategorien – zu küren, ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Deshalb hier eine kleine, im höchsten Maße subjektive Zusammenstellung von Vorführungen, die mir aus den unterschiedlichsten Gründen besonders im Gedächtnis haften geblieben sind.

Wie auch schon bei der New York Show im Frühling dieses Jahres dominierten wieder einmal sehr teure bis exorbitant teure Anlagen den Gesamteindruck. Den Vogel schoss dabei meines Erachtens der amerikanische Lautsprecherhersteller Wilson Audio samt VTL (Röhrenverstärker), dCS (Digitalquellen) und Spiral Groove (Plattenspieler) ab. Allein die verwendeten Lautsprecherkabel kosteten mehr als 100.000 Dollar! Der Gesamtwert der Anlage belief sich auf sage und schreibe knapp 460.000 Dollar. Da ist es kein Wunder, dass selbst unter den anwesenden “Besserverdienenden” das eine oder andere Räuspern oder gar heiseres Lachen beim Anblick der Preisliste zu vernehmen war.
Aber es gab in diesem Raum noch eine bemerkenswerte Szene zu beobachten. Ein distinguiert wirkender Herr, Typ britischer Gentleman, ließ sich eine Arie aus dem “Ring der Nibelungen” vorspielen. Er stand neben der Anlage, in den dirigierenden Händen die Lautstärkefernbedienung haltend, und hörte offenbar sehr sehr konzentriert zu. Ich selbst bin weder ein Opern Fan, geschweige denn ein Wagnerianer, aber wie intensiv die “Brunhilde” über die Wilson Audio Alexia und den schon als monströs zu bezeichnenden VTL Siegfried II Röhrenendstufen wiedergegeben wurde, machte mich schlichtweg fassungslos. Am Ende der Arie musste die Ehefrau den genannten Zuhörer stützen, der leise schluchzend und mit zitternden Händen die Fernbedienung auf das Rack zurücklegte. Eine derartige Ergriffenheit habe selbst ich noch nie erlebt …

Dagegen machten andere Hersteller aus ihren derzeitigen Absatzproblemen keinen Hehl. Magnepan wies das Auditorium in den halbstündig stattfindenden Vorführungen gezielt darauf hin, dass sie wegen der Rezession sehr viele Händler verloren und dass man sich deshalb dazu entschlossen habe, die kleinste “Maggie” (gegebenenfalls samt Subwoofer Panel) direkt an interessierte Kunden zu verschicken. Dazu gehöre eine 60 tägige Rückgabegarantie, so der Repräsentant von Magnepan. In den USA kostet die kleine MMG übrigens nur 699 Dollar. Gut, man braucht nach wie vor zum Betreiben dieser Magnetostaten eine stabile Endstufe, die in diesem Fall von Bryston zur Verfügung gestellt wurde, aber für den Preis gibt es wohl kaum etwas Besseres. Das homogene, in sich geschlossene Klangbild, das einen Gedanken an die dahinterstehende Technik vergessen lässt, konnte nicht nur mich für sich einnehmen. Man kann Magnepan nur wünschen, dass möglichst viele Kunden das Angebot ausprobieren und zu Hause in Ruhe mit diesem Lautsprecherkonzept auseinandersetzen.

Ebenfalls die Kirche im Dorf ließ der amerikanische Vertrieb des britischen Herstellers Rega. Sie hätten mit Isis und Osiris samt der RS 10 durchaus auch “in die Vollen“ gehen können, ließen stattdessen einfach den neuen RP6 Plattenspieler mit einem gewagten “Union-Jack-Design” oder alternativ Apollo-R CD-Spieler nebst DAC am kleinsten Vollverstärker Brio-R spielen. Zum Einsatz kamen allerdings nicht die meines Erachtens weithin unterschätzten Lautsprecher der Briten, sondern man holte sich mit der twenty.22 Unterstützung von den Kollegen von PMC. Auf Nachfrage erklärte mir der Vorführer, dass man zu gerne die RS 1 von Rega genommen hätte, die aber bei den teils enormen Lautstärkepegeln, die sich manch‘ Hörer während der Präsentation wünscht, in den großen und zumeist vollbesetzten Vorführungen nicht immer gewachsen sei. Er selbst benutze sie allerdings zur vollen Zufriedenheit auch von Frau und Tochter zu Hause, aber unter Messebedingungen könne es halt manchmal des Guten zu viel werden. Diese Aussage fand ich sehr sympathisch und spricht übrigens keineswegs gegen die Lautsprecher von Rega. Im Gegenteil: Die neue, kleine Serie ist aller Beachtung wert, denn nach wie vor besitzen die Briten das Talent, mit bezahlbaren Komponenten sehr sehr viel Musik zu machen.

Digital, in Form von Kombinationen von ausgefuchsten Digital-Analog-Wandlern mit verschiedensten Zuspielern (CD-Laufwerken, Streaming-Clients oder auch schnöde Laptops), schien das beherrschende Thema zu sein. Selbst als eingefleischter Analogie kam ich nicht umhin, diesen Komponenten und der resultierenden Klangqualität ein Niveau zu attestieren, die ich ihnen vor nicht allzu langer Zeit nicht zugetraut hätte. Ich musste mir eingestehen, dass ich da eine Entwicklung regelrecht verschlafen, vielleicht sogar aus Ignoranz verdrängt habe. Besonders erhellend war die Vorführung von Antelope, die einen Blindtest zwischen originalem Analogsignal und der durch einen A/D-D/A-Wandler hin- und zurückgewandelten Signals ermöglichte. Laut Aussage des Firmenvertreters kommen nur sehr wenige Hörer bei zwei aufeinander folgenden Wandlungen auf eine Trefferquote, die von der statistischen Verteilung des puren Ratens abweicht. Ich musste mir selbst eingestehen, dass ich in der Kürze der Zeit nur raten konnte. Das mag aber bei eingehender Beschäftigung mit den Geräten in heimischen Gefilden anders sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieser Wandler seine Aufgaben außerordentlich gut erledigte.

Dennoch ist Analog beileibe nicht tot. Es wurde teilweise nicht nur mit Kopien analoger Masterbänder vorgeführt, es gab auch sehr viele Plattenspieler und Tonabnehmer zu bewundern, die meinem Wissen nach in Deutschland noch nicht bekannt sind. Frank Schröder stellte seinen neuen Drehtonarm vor, der mittels eines ausgeklügelten und gleichzeitig sehr eleganten Mechanismus den Einbauabstand variiert und so dafür sorgt, dass der Tonabnehmer immer tangential zur Rille gehalten wird. Seiner Meinung nach geht es dabei weniger um die Reduzierung des Spurfehlwinkels, als vielmehr darum, eine Antiskatingeinrichtung überflüssig zu machen, die seiner Ansicht nach immer am Tonabnehmer zerre und so den Klang negativ beeinflusse. Vorgeführt wurde der Tonarm auf Kodos The Beat MagDrive Turntable – einem hochinteressanten Laufwerk, dass eine Variante des Direkttriebkonzepts darstellte und dessen Motor als besonderes Schmankerl im Drehmomentbereich feinjustierbar war. Damit könne man den Klangcharakter des Laufwerks beeinflussen: Von anspringend, lebhaft und an sehr gute Reibradler erinnert bis hin zu sehr sachlich gelassen Gangart – je nach Gusto des Besitzers. Eine hochspannende Angelegenheit, aber leider (noch) nicht in Deutschland erhältlich.

Weitere Beispiele für in Deutschland noch unbekannte Hersteller sind Volti Audio (Hochwirkungsgradlautsprecher) und (Röhrenverstärker) – beides Sujets, denen ich nicht unbedingt zugetan bin. Aber dennoch: Was aus diesen Lautsprechern an Dynamik und musikalischer Feinsinn herauskam, ist einer besonderen Erwähnung wert. Dabei wirken die Lautsprecher auf den ersten Blick wie eine Reinkarnation der bekannten Klipsch La Scala, was aber der Erbauer erbost von sich weist. Allein der sichtbare Aufwand beim Gehäuse und nicht zuletzt die verblüffend verfärbungsarme Wiedergabe akustischer Instrumente und weiblicher Stimmen schienen das zu belegen. Die Verstärkung übernahmen 300B-Röhrenendstufen von Border Patrol, deren zwei Kanäle von je einem separaten Netzteil versorgt wurden. Bleibt zu hoffen, dass beide Kreationen – neben vielen anderen auch – den Sprung über den großen Teich nach Deutschland schaffen.

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.