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MHW Audio

FIDELITY zu Besuch bei MHW Audio

MHW Audio: „Dynamik gibt es nie genug!“

Ein waschechter Schwabe verirrt sich ins tiefste Allgäu, kann das gutgehen? Es kann. Und wie! Denn der Mann hat sich gar nicht verirrt, das war volle Absicht. Wie auch seine Lautsprecher aus der Kategorie „Groß & Gut“, die dort entstehen. Wir nutzen die Gelegenheit für einen ersten, aber nachhaltigen Höreindruck der Nullserie. Und entdecken unter anderem auch gleich noch einen verblüffenden Röhrenverstärker.

Erst kam der geordnete Rückzug. Dann eine kurze Pause zum Durchschnaufen. Dann wieder verschärftes Hufescharren. Und seit reichlich einem Jahr heißt es bei Dieter Molitor wieder „Volldampf voraus“ – diesmal aber entspannt. Wie das gehen soll, Entspannung und Vollgas? Mit Überlegung und Humor und den richtigen Leuten um sich herum.
Dieter Molitor findet, das Leben ist zu kurz für halbherzige Dinge. Also beschloss er schon vor einiger Zeit, sein florierendes Radsporthaus mit zig Angestellten in beste Hände weiterzugeben und fortan die bisher viel zu knappe Freizeit zu genießen. Wenigstens hatte es der Vielbeschäftigte auch im allerdicksten Stress geschafft, mit einem „mehr als ordentlichen“ HiFi-System seine Lieblingsmusik als „totale Cool-Down-Phase“ zu erleben. Eine prägende Erfahrung.
Es kam, wie es kommen musste: Der selbst verordnete Ruhestand entpuppte sich als ein klein wenig zu ruhig. Dem drahtig-sportlichen, umgänglichen Schwaben, Jahrgang 1957, juckte es schon bald wieder in den Fingern und quasi als Fingerübung begann er sich jetzt ernsthaft um ein paar Produkte zu kümmern, die seinem HiFi-Drang entsprachen: Plattenwaschmaschinen von Hannl etwa oder High-End-Elektronik von Gruensch. Nur in puncto Lautsprecher hatte ihn bisher noch nichts wirklich vom Rennsattel gerissen. Folgerichtig musste etwas Eigenes her … Wenn Ihnen die Story bis hierher, wenn Ihnen insbesondere der letzte Satz irgendwie bekannt vorkommt – herzlich willkommen im Club. Bei der FIDELITY haben wir es mit High-End-Lautsprechern „für alle, die es richtig ernst meinen“ im Wochentakt zu tun. Sogar zarte Kompaktböxchen werden uns gelegentlich als „ultimative Schallwandler“ angepriesen. Da genügt dann meist schon ein dezenter Hinweis auf mein Schlagzeugset im Büro, um das Verhältnis zwischen „Live Act“ und „Toy Fi“ wieder geradezurücken.
Bei MHW Audio, dem neuen Unternehmen des Herrn Molitor, ist die Sache etwas anders gelagert. Sie hat durchaus mit dem Konzerterlebnis auf der Bühne zu tun, dem „Live Act“, nicht nur mit der Namensgebung. Und vor einem echten Schlagzeug zuckt das Konzept auch nicht zurück. Physis und Treiberbestückungen allein sprechen schon eine klare Formensprache: 12-Zoll-Koaxial-Chassis mit 3-Zoll-Mittelhochtonmembran plus zwei 12-Zoll-Bässe im massiven und resonanzarmen Heavy-Duty-Gehäuse. Und das ist nur das „kleine“ Modell 12/3! Nein, MHW Audio bedient keine Micky-Maus-Vorstellungen von HiFi.

Ehrlicherweise versucht der Ex-Radsportprofi gar nicht erst, sich selbst als Entwickler darzustellen. Molitor spricht stattdessen Klartext, nennt zum Einstieg schlicht ein paar Fakten, die mich aufhorchen lassen, und macht auch kein Geheimnis daraus, dass er für seine Live-Act-Lautsprecher ja eigentlich „nur“ der Ideengeber mit klaren Vorstellungen ist. Zugleich scheint er aber auch die richtigen Leute zu engagieren, um das ambitionierte Projekt erfolgreich zu stemmen: gestandene Vollprofis aus der professionellen Audioszene – und eben nicht den (billigen) Kumpel von nebenan, dessen Qualifikation als „Boxenexperte“ darin besteht, in den Achtzigern mal ein paar Treiber in ein Faltgehäuse geschraubt zu haben.
Molitors Motto lautet „Dynamik gibt’s nie zuviel!“. Und mit diesem Vorspann lädt er mich zum Probehören der ersten Nullserie mit eigener Musikauswahl ein, ohne jeden Termindruck, mit weitem Vorlauf, ganz entspannt … Und irgendwann im Herbst finde ich dann eine Lücke im Terminkalender, packe meinen musikalischen Giftkoffer ins Auto und reise durch die Oktobersonne ins idyllische Oberallgäu, nach Sonthofen, der südlichsten Stadt Deutschlands, ganz entspannt … Dort erwartet mich ein ziemlich originell eingerichteter Showroom in der Grundfarbe Rot, akustisch mit Holzscheiten präpariert. Eine Handvoll Audio-Enthusiasten begrüßen mich, die das Projekt unterstützen: Molitors elegante Ehefrau Tanja etwa, die bei MHW die Finanzen im strengen Blick der Wirtschaftsingenieurin behält und einen vorzüglichen Kaffee kredenzt. Da ist auch Joachim Schwarz, der normalerweise seine Brötchen bei Bittner mit professionellen Beschallungsanlagen verdient und nun mit der wahrlich außergewöhnlichen Röhrenendstufe Bittner TonMeister 500 für Aufsehen im High-End-Segment sorgen möchte. Anwesend sind ebenfalls sein Kollege von der Bittner-Fertigung sowie der Entwickler der Live-Act-Series von MHW Audio, also der Mann für die wunschgemäße und fachgerechte Umsetzung von Molitors Ideen. Sind wir vollzählig? Fast. Nur Jozef Viskupic hat kurzfristig absagen müssen. Damit fehlt auch die zweite Röhren-Endstufe, die sonst im Gepäck des Bittner-Chefs mit angereist wäre. Auch hier gilt das Gesetz der Nullserie: alles geht. Oder eben auch nicht.

Es sollte wohl auch mit nur einer Röhrenendstufe von Bittner ganz gut „gehen“. Oder besser gesagt: Mit einer Doppelmono-Endstufe, die derart doppelmono aufgebaut ist, dass es nicht nur zwei Stromzuleitungen gibt, sondern auch zwei Netzschalter. Das einzige, was sich die beiden Mono-Züge der TonMeister 500 teilen müssen, ist tatsächlich das Gehäusechassis des imposant auftretenden Glaspalasts. Dessen Schaltnetzteile (!) sind optisch spektakulär mit Carbonteilen eingekleidet, und nicht weniger als zwanzig KT120-Röhren sorgen hier für eine satte Ausgangsleistung von ultrastabilen 250 Watt pro Kanal. Aber braucht man diese Power denn überhaupt? Bei dem hohen Wirkungsgrad der Live Act 12/3, die schon auf ein Startsignal zu warten scheint? Die im Lautsprecher verbauten Chassis würden doch auch schon mit einer Handvoll Watt sehr zufrieden musizieren … Zudem hat ja auch noch die bewährte Stereo-Endstufe von Gruensch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden; sie dient im heutigen Bi-Amping-Setup als Kopilot zur Bittner-Röhre und treibt den Leistungs-Overkill noch ein bisschen weiter nach oben. Mit kommen gewisse Zweifel, ob das wirklich gut „geht“.
Die unmissverständliche Antwort gibt Dieter Molitor ein paar Minuten später, per Knopfdruck am CD-Player. Nur gut, dass ich die Kaffeetasse abgestellt habe. Ein furchtloses E-Bass-Gewitter fährt blitzartig in meine Glieder, und zwar derart locker und substanziell zugleich, dass ich mich sofort an einen besonders guten Gig erinnert fühle. Oder an meinen Ampeg-SVT-Turm im Übungsraum. Ja, das ist wirklich verdammt nah dran am Live-Erlebnis – mein lieber Herr Gesangsverein!
Apropos: Nach einigen weiteren Musikbeispielen, die höchst überzeugend die dynamischen Qualitäten des Setups unterstreichen, greife ich in meinen mobilen Giftschrank und fühle der vermeintlichen „Rock’n’Roll-Kombination“ zur Abwechslung mit sehnigen Barockeinspielungen (Concerto Köln), zickigen Opernpassagen (Fledermaus, Kleiber – was sonst!) und einer satten Portion Sinfonik (Korngold!) auf den Zahn. Fazit: Trotz ihrer massiven Physis scheint die streng geometrisch gezeichnete Live Act 12/3 von MHW Audio mühelos in der Lage zu sein, auch zarteste Details und Rauminformationen ins rechte Verhältnis zu rücken. Soviel zum Thema Feindynamik und akustische Schattierungen. Wer übrigens bassdynamisch und optisch noch höher hinaus will, kann optional ein zweites Bassmodul obendrauf platzieren. Dann wird aus der 12/3 eine 12/5. Und aus einem prickelnden Sommergewitter vermutlich ein erregendes Weltuntergangsszenario, aber mit Happy End. Das will ich heute aber gar nicht mehr so genau wissen; ich habe genug gehört. Mein Fazit: Wenn die für 2015 angekündigte erste Serie hält, was die Nullmuster hier versprechen, dann will ich die MHW Audio Live Act 12/3 unbedingt den FIDELITY-Lesern ausführlich vorstellen. Was für ein Allgäu-Ausflug: großes Kino erst für die Augen, dann für die Ohren!

 

www.mhw-audio.de

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