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Berliner Meister Schallplatten

Berliner Meister Schallplatten

Mehr als nur Liveaufnahme

Vinyl exklusiv und limitiert: In Berlin widmen sich zwei Tonmeister der hohen Kunst des Schallplatten-Direktschnitts.

Berliner Meister Schallplatten

Wer die Schallplatte liebt, sich über stetig steigende LP-Verkäufe freut und bei Neuproduktionen konsequent zur Vinyl-Pressung greift, für den gibt es gute Nachrichten: In Berlin widmet sich ab sofort ein Label einzig der Königsdisziplin der analogen Musikproduktion: dem Direktschnitt. Der Name des Unternehmens, korrekt bindestrichlos: Berliner Meister Schallplatten. Die ersten drei Produktionen sind ab sofort zu haben.

Direktschnitt, oder auch Direct-to-Disc-Aufnahme, das ist der unmittelbarste Transfer eines Musikereignisses auf Vinyl. Kein Tonband, kein Editieren, keine Kompression. Nur Mikrofone, Kabel und die Schneidemaschine. Zwischen Lackfolie und LP liegen gerade einmal eine Handvoll Galvanisierungsvorgänge und die Plattenpresse.

Berliner Meister Schallplatten               Berliner Meister Schallplatten

Berliner Meister Schallplatten ist das Kind zweier erfahrener Tonstudio-Profis: Rainer Maillard und Stephan Flock. Beide sind Tonmeister mit Vergangenheit bei der Deutschen Grammophon und seit der Ausgründung der Studio-Sparte in die Emil Berliner Studios dort für Aufnahmen von – nicht nur, aber überwiegend – Klassik-Weltstars für alle bedeutenden Label zuständig. Heute residieren die ursprünglich in Hannover beheimateten Studios an prominenter Berliner Adresse: Köthener Straße 38, unter anderem Sitz der legendären Hansa Studios. Daneben beherbergt das denkmalgeschützte Gebäude mit dem Meistersaal aber auch eine nicht weniger geschichtsträchtige Aufnahmelocation.

Was Maillard und Flock überhaupt in die Lage versetzt, Direktschnitte zu produzieren, ist das Zusammenspiel von Ort – der ausgezeichnet klingende Meistersaal und ein zweiter kleinerer, aufwendig akustisch optimierter Aufnahmeraum sind mit dem Studio fest verkabelt – und Equipment. Letzteres lässt als Mitgift aus der Trennung vom Mutterkonzern Polygram/ Deutsche Grammophon keine Wünsche offen. Als Rainer Maillard durch die Räume führt, weist er mit unüberhörbarer Begeisterung auf die vielen ursprünglich für die Deutsche Grammophon maßangefertigten analogen Komponenten hin, vom Mikrofon-Vorverstärker bis zu ganzen Mischpult-Baugruppen – Geräte mit teilweise sicher mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Buckel! Selbstverständlich arbeiten die Emil Berliner Studios seit Jahrzehnten volldigital, doch bei Bedarf kann, so Maillard, von einem Augenblick auf den anderen eine hundertprozentig analoge Signalkette aufgebaut werden. Museal ist hier nichts, weder die voll röhrenbestückte Studer-Bandmaschine mit dem geschätzten Gewicht eines Kleinwagens noch die schon auf ihren nächsten Einsatz wartende Plattenschneidemaschine von Neumann.

 

Die drei BMS-Direktschnitte zu hören ist ein Erlebnis. Dass beim echten Direktschnitt auch die Trennrillen zwischen den Stücken sozusagen live pausierte Momente sind, weil sich die Schneidemaschine ja nicht mitten in der Platte anhalten lässt, war mir bis dahin gar nicht bewusst gewesen. Auch dass die Spielzeit einer Plattenseite durchweg deutlich kürzer ausfällt als die einer gewöhnlichen LP, irritiert anfangs, hat aber technische Gründe: Das Vorschubsignal für den Schneidekopf, sonst an der Bandmaschine „vorgehört“, fehlt, die Rillenbreite kann deswegen nicht in Erwartung mehr oder weniger dynamischer Passagen variabel reguliert werden (Stichwort: Füllschrift), der Rillenabstand ist also konstant und auch in leisen Passagen so breit wie im Forte. Rainer Maillard weist darauf hin, dass sich das im Rillenbild widerspiegelt: Der echte Direktschnitt lässt visuell keinen Unterschied zwischen leisen und lauten Stellen erkennen.

Die Nummer 1 im Katalog von Berliner Meister Schallplatten ist eine Klavierplatte geworden. Ausgerechnet! Die haarsträubendsten Geschichten über die meisten Schnitte pro Minute betreffen Klavier-Studioaufnahmen. Da gebührt den Berlinern allein schon Anerkennung für das Auffinden eines Pianisten, der entspannt genug war für (pro Plattenseite) rund 15–18 Minuten ununterbrochenes Spiel vor Mikrofonen.

 

 

Mit dem Finnen Paavali Jumppanen haben sie einen echten Geheimtipp hervorgezaubert. In Deutschland sind nur wenige CD-Aufnahmen (Boulez auf Deutsche Grammophon, Beethoven auf Claves) mit ihm erhältlich, ansonsten spielt sich seine Konzerttätigkeit überwiegend in den USA ab. Der an Hochschulen seiner finnischen Heimat und bei Krystian Zimerman ausgebildete Pianist kombiniert auf der Aufnahme ein Impromptu von Jean Sibelius mit Wagners Isoldes Liebestod in der Klaviertranskription von Franz Liszt und einer späten Beethovensonate, Opus 109 in E-Dur.

Die Platte kann nur als fulminant beschrieben werden. Ganz abgesehen davon, dass Jumppanen tatsächlich, wie es so schön heißt, „CD-reif “ spielt, zeichnet seine Interpretationen ein schier hypnotischer Fluss aus. Dass damit Sibelius und Wagner/Liszt unwiderstehlich gelingen, ist logische Konsequenz, dass die Beethovensonate aber pure Begeisterung hinterlässt, obwohl komplett gegen die derzeit herrschende und von mir sehr geschätzte Hammerflügel-Mode gespielt, ist schon ein kleines Wunder. Dieser LP ist ein Stammplatz auf meinem Plattenteller sicher.

               

 

Die LPs Nummer 2 und 3 bringen auf jeweils ganz eigene Weise Weltmusikflair in den Hörraum. Auf Occident & Orient korrespondiert abendländisches Instrumentarium in Gestalt des Leipziger Mendelssohn-Kammerorchesters mit morgenländisch inspirierten Kompositionen und Klängen. Arabisch schluchzende Klarinette und der helle Klang der Rahmentrommel treffen auf Lully und Beethoven – und es funktioniert, macht Laune, um nicht zu sagen: Es groovt. Die vielköpfige Musikerschar war ohrenscheinlich auf den Punkt auf die ungewöhnliche Aufnahmesituation präpariert, das Resultat ist fast schon studiomäßig makellos sauber. Besonders die Eigenkompositionen des syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh und des Percussionisten Peter A. Bauer sprühen vor Spielfreude.

Echte Privatkonzert-Atmosphäre kommt schließlich mit den Bolívar Soloists und ihrem Piazzolla- Programm auf. In westlich-klassischer Besetzung, ohne Bandoneon, spielen sie die Klassiker des größten aller Tango-Komponisten, von „Decarisimo“ über „Adios Nonino“ bis „Oblivion“. Die fünf Musiker haben sich für die Aufnahme ein kleines Studiopublikum eingeladen, das zwischen den Stücken begeistert applaudiert. Hier wird weniger Perfektion geboten als hautnahes Musizieren inklusive Lampenfieber und den ein oder anderen Wackler, aber gerade deswegen ist es eine auf ganz eigene Art unwiderstehliche Platte geworden: Musizieren ohne Netz und doppelten Boden. Direktschnitt eben.

www.berliner-meister-schallplatten.deEine ganz besondere Atmosphäre lag an diesem Tag in der Luft. Wir hatten für die Einrichtung der Mikrofone und die Aufnahme insgesamt nur zwei Stunden Zeit, und jeder wusste, dass es auf die individuelle Tagesform ankam. Das Besondere an der Aufnahme ist es ja, keine Möglichkeit der Korrektur zu haben, und so waren wir schon dementsprechend angespannt. Einerseits. Andererseits habe ich mir persönlich gesagt und auch so empfunden, dass es ja gerade dadurch möglich ist, eben keine klinisch reine Aufnahme zu produzieren, sondern die Musik mit einer Seele zu versehen, wie man es als Musiker nur bei Live-Musik schaffen kann. Und da ich mich auf meine Kollegen absolut verlassen konnte, gab mir dieser Gedanke während des Spiels eine wohltuende Gelassenheit.“ Gregor Nowak, Mendelssohn Kammerorchester Leipzig

„Wir alle haben sofort gemerkt, dass diese Aufnahmesession anders sein wird. In einer normalen digitalen Aufnahme ist man sehr entspannt, weil man weiß, dass alles korrigierbar ist. In einer digitalen Aufnahme sind Fehler inakzeptabel, deshalb versuchen Musiker „sauberer“ statt „ausdrucksvoller“ zu spielen, und das ist ein großer Verlust für die Musik und die Produktion. (…) Die Atmosphäre im Studio war optimal: Wir hatten einen super Flügel, wir konnten genug proben, es gab perfekten Espresso. (…) Die Aufnahmesession war wie eine Reise in einem luxuriösen Kreuzfahrtschiff. Ein paar Freunde saßen im Studio und haben zugehört, wir hatten eine Flasche Wein dabei, so haben wir beim Spielen nur die tolle Musik von Astor Piazzolla genossen.“ Efrain Oscher, Bolívar Soloists

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